Rechtsextremismus

Veröffentlicht am 03.07.2007 in Presseecho
 

„Totschweigen hilft auf keinen Fall“

LAUPHEIM – Als eine zentrale Herausforderung für Politik und Gesellschaft hat der SPD- Bundestagsabgeordnete Martin Gerster den Rechtsextremismus bezeichnet. Bei einer Diskussion im „Schlosscafé“ berichtete er von einem rapiden Anstieg rechtsextrem motivierter Straftaten und forderte: „Wir müssen alle daran arbeiten, dieser Entwicklung ein Ende zu setzen.“

Von Schwäbische- Zeitungs- Redakteur Roland Ray

Gerster sprach auf Einladung des Kreisverbands der Jungsozialisten und des SPD- Ortsvereins Laupheim. Sie hatten die Aufmärsche der Jungen Nationaldemokraten in Laupheim und die wiederholten Auftritte rechtslastiger Bands in der Region zum Anlass genommen, eine Veranstaltung zum Thema Rechtsextremismus zu organisieren.
Auch aus der historischen Verantwortung heraus müsse man den Rechtsextremen entgegentreten, sagte Martin Gerster. Sie verfügten über ein Bedrohungspotenzial, „das in keiner Weise relativiert werden darf“. Für das Jahr 2006 nannte der SPD- Politiker aus Biberach die „schlimme Zahl“ von 17 597 Straf- und Gewalttaten in Deutschland, die diesem Lager zuzuordnen seien; 2003 waren es rund 10 800 Delikte. Die Strategie der NPD – der Kampf um die Parlamente, um die Straße und um Köpfe – gehe „leider ganz gut auf“; sie stoße dabei vielfach in Lücken im sozialen Netz und in Brennpunkte, die durch den Sozialabbau entstanden sind, und rekrutiere auf diese Weise Anhänger und Sympathisanten. Politik und Verfassungsschutz müssten alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um der rechten Gefahr zu begegnen, verlangte Gerster. Aber auch die Gesellschaft dürfe sich nicht verstecken.
„Eine Regionalisierung des Rechtsextremismus macht wenig Sinn“, urteilte der zweite Referent des Abends, Dr. Walter Jung vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden- Württemberg. Es handele sich um ein „zutiefst überregionales, zuweilen internationales Phänomen“. Wenn dabei bestimmte Orte in den Blickpunkt rückten, so sei dies häufig „günstigen Gelegenheitsstrukturen“ geschuldet, sagte Jung; auch im Fall Laupheim sei die Mobilität der Szene zum Tragen gekommen und das Gros der Teilnehmer an den rechts gerichteten Veranstaltungen von auswärts angereist. Die Region sei keine Insel der Seligen, aber auch keine Hochburg der Rechtsextremen.
„Kreativität ist gefragt“
„Wie soll man reagieren, wenn die einfallen wie Zugvögel?“, fragte die SPD- Ortsvereinsvorsitzende Brigitte Schmidt.
„Totschweigen hilft auf keinen Fall weiter. Kreativität ist gefragt“, betonte Martin Gerster und verwies auf den Stadtpfarrer von Miltenberg, der eine NPD- Kundgebung durch Glockengeläut störte, und die „gelungene Kundgebung mit vielen gesellschaftlich relevanten Gruppen“ beim Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten im Oktober in Laupheim. Auch sei es notwendig, das Thema frühzeitig und intensiv in den Schulen zu behandeln.
Das sei in Laupheim weder vor noch nach der Demonstration im Oktober geschehen, bedauerte eine Diskussionsteilnehmerin – „jammerschade“. Manfred Stradinger, SPD- Fraktionschef und Berufsschullehrer, dementierte: „Das wurde von einigen besprochen“. Er erinnerte an die erzieherische Verantwortung des Elternhauses. Eine andere Mutter monierte, an den Schulen werde zu spät über das „Dritte Reich“ und den Nationalsozialismus aufgeklärt.
Zum Stichwort NPD- Verbot sagte Martin Gerster, seine Partei prüfe, ob ein neuerliches Verfahren Sinn mache. „Wir sollten uns nicht die Blöße geben, mit einem solchen Vorstoß ein zweites Mal zu scheitern.“ Mit einem Verbot allein wäre es ohnehin nicht getan – eine Feststellung, die der Verfassungsschützer Jung unterstrich: „Ideologien können Sie nicht verbieten.“
„Da hilft kein Verbot“, pflichtete ein Zuhörer im „Schlosscafé“ bei. „Wir müssen unser Denken dagegen setzen.“